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Chronik -

des heutigen Zentralkrankenhauses Gauting der Landesversicherungsanstalt Oberbayern


Bau der Lehrwerkstätten

Im Laufe des Jahres 1952 wurde - finanziert von dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge und den Bayerischen Landesversicherungsanstalten - der erste Bauabschnitt der Lehrwerkstätten im südlichen Teil des Krankenhausterrains in Fertigbauweise errichtet. Am 1.1.1953 konnte mit den Ausbildungskursen begonnen werden. Ausbildungszweige waren: Dreherei und Mechanikerhandwerk, technisches Zeichnen für Maschinenbau, Elektronik, Mechanik mit Spezialisierung auf Rundfunk-, Fernseh- und Fernsprechwesen erweitert. Die Voraussetzung hierfür wurde durch Neubauten geschaffen. Durch das Zusammenwirken des Umschulungsleiters, Herrn Last, mit einem ausgezeichneten Lehrkörper von Ingenieuren und Handwerksmeistern wurden die Lehrwerkstätten das Musterinstitut in der Bundesrepublik und daher von zahlreichen Gästen und Kommissionen des In-und Auslandes laufend besucht. Wenn uns auch wegen Geldmangels die Realisierung vieler Verbesserungs- und Vergrößerungswünsche bisher versagt blieb, so ist doch der Zweck, die Vermittlung einer soliden, bestmöglichen Fachausbildung für ehemalige Tuberkulosekranke unberührt geblieben. Der Berufserfolg der meisten unserer ehemaligen Lehrlinge, mit denen wir laufend in Kontakt sind, hat uns dies bewiesen.

Nach Bauvollendung der Grollküche und des D-Krankenhauses ging Dir. Dr. Resenberg trotz äußerst geringer Geldmittel daran, die mit einem Tarnanstrich versehnen Gebäude und alle Neubauten einheitlich im Ockerton der bayerischen Königsschlösser streichen zu lassen. Das gesamte, teils recht trostlose Krankenhausgelände ließ er in einen großzügigen Park verwandeln und die durch Windbruch entblößten Randgebiete wieder aufforsten.

Bei der Übernahme des Hauses in deutsche Hände war die Kasse leer, und es mußte erst eine gut funktionierende Verwaltung aufgebaut werden, um von jedem Patienten den Kostenträger ermitteln und so in Besitz seiner Behandlungskosten gelangen zu können. Für die nun erforderliche Hauptbuchhaltung stand als Leiter der ehemalige Verwalter des aufgelösten DP-Hospitals Amberg, Herr Böhm, zur Verfügung. Aus dem fetsgesetzten Tagessatz von 8,-DM mußte nicht nur alles für den Patienten selbst, sondern mußten auch die Kosten für die Erhaltung der Krankenhausbauten mit ihrem gesamten Inventar einschließlich der Betriebskosten bestritten werden. Außerdem hatte sich der Zustand wartungsbedürftiger Einrichtungen so verschlechtert, daß zur vorschriftsmäßigen Führung des Krankenhauses größere Reparaturen und Erneuerungen unumgänglich waren; so standen je nach Dringlichkeit mehrere Projekte auf einer "Warteliste". Durch Verschlammung der Sickerbecken und der Tropfkörper der Kläranlage bestand Gefahr der Verseuchung des umgebenden Geländes, was sofortige Instandsetzung forderte. Die Maschinen der Wäscherei waren so abgenutzt, daß die laufenden Reparaturen den normalen Ablauf des Waschprozesses verhinderten. An acht verschiedenen Plätzen im Gelände mußten Feuerstellen als Zentralheizungsanlagen bedient werden, die überaltert waren und unrationell arbeiteten. Schwestern und Hauspersonal wohnten zum Teil in Baracken aus dem Jahre 1938, die auf Pfählen standen und deren faulende Fußböden sich senkten und nicht mehr repariert werden konnten. Bei sparsamster Bewirtschaftung und doch optimaler Betreuung der Patienten wurde versucht, mit einem möglichst niedrigen Personalstand das Krankenhaus zu führen. So wurden z. B. die fünf Stationen zählenden Krankenbauten so unterteilt; daß sie nur noch aus vier Stationen mit dem entsprechend reduzierten Personal bestanden. Von den nur noch vier benötigten Ärzten mußte - den sonst üblichen Gepflogenheiten entgegen - der Ober- und Abteilungsarzt eine zusätzliche Station selbst betreuen. Auf diese Weise konnten pro Abteilung zwei Ärzte und nahezu das Personal für eine Station eingespart werden. Zu dieser Maßnahme war das Haus aus Selbsterhaltungsgründen gezwungen, und das gesamte Personal hat sich bemüht, sein Bestes für den neuen Start zu geben. Die Umstellung erforderte auf allen Sektoren Geduld, Einfühlungsvermögen, Fleiß und Vertrauen in die Leitung. All dies erschütterte in keiner Weise den Zusammenhalt der großen Personalfamilie in dem bekannt guten Betriebsklima.

Die Zusammensetzung der Kranken veränderte sich immer mehr zugunsten der Deutschen, so daß die heimatlosen Ausländer bald in der Minderzahl waren. Nur durch den engen persönlichen Kontakt mit den von uns zur Besichtigung unseres Krankenhauses öfters eingeladenen Ärzten und Fürsorgerinnen der Gesundheitsämter konnten wir deren positive Einstellung gewinnen. Der Chronist als Fürsorgearzt des Kreises Starnberg, zu dem auch Gauting gehört, konnte über ein Jahrzehnt viele Patienten der Umgebung veranlassen, sich im Gautinger Krankenhaus behandeln zu lassen. In der Zeit, in der wir von der Hand in den Mund lebten und es niemanden gab, der für auftretende Schulden hätte einspringen können, war die Sorge um die Rentabilität des eben aus der Taufe gehobenen Regiebetriebes sehr groß. An ihm hing neben der Betreuung der Patienten die Erhaltung des Arbeitsplatzes von rund 400 Betriebsangehörigen, denen gegenüber wir nach den harten Jahren nach 1945 eine Verpflichtung hatten. Durch eine enge Zusammenarbeit der ärztlichen und Verwaltungsleitung wurde im Bedarfsfall die Kapazität des Hauses durch eingeschobene Betten vergrößert und nach Möglichkeit ein längerer überhang an leeren Betten vermieden.

Übernahme der Patienten des aufgelösten Tbc-Krankenhauses Herrsching

Außer unserem Lungensanatorium bestanden in näherer Umgebung noch Herrsching, Kempfenhausen und Planegg. Weil das Bundesfinanzministerium seine während des Krieges als Tbc-Lazarett zweckentfremdete Finanzschule zur Ausbildung seines Nachwuchses wieder benötigte, wurde das Krankenhaus Herrsching am 25.1.1954 aufgelöst und alle noch behandlungsbedürftigen Patienten auf Wunsch in unser Haus verlegt.

Suche nach einem Krankenhausträger

Angesichts der Schwierigkeit, mit den geringen abzweigbaren Geldmitteln in absehbarer Zeit die notwendigen Erneuerungen im Hause durchzuführen, hoffte Dir. Or. Resenberg einen Krankenhausträger zu finden. Als ehemaliges Wehrmachtseigentum gehörte das Haus der Bundesvermögensverwaltung. die es an das Land Bayern abgetreten hatte. Nachdem die Bundeswehr auf das als Kaserne weitgehend zweckentfremdete Objekt verzichtet hatte, wurde das Bayerische Finanzministerium mit dessen Verkauf betraut. Dr. Resenberg schwebte vor, eine Stiftung zu gründen oder die Landesversicherungsanstalt Oberbayern dafür zu interessieren, da diese der Kostenträger der meisten im Haus befindlichen Patienten ist. Letztere Lösung schien für beide Teile die günstigste, doch sollte bis zu ihrer Verwirklichung noch ein weiter Weg sein. Das Patronat über unser Haus in dieser schwierigen Zeit hatte Dir. Ankenbrand der Landesversicherungsanstalt Oberbayern übernommen. dessen unbeirrbarem Wirken und schützender Hand wir in den folgenden Jahren so viel zu verdanken hatten. Nach seiner Pensionierung führte sein Nachfolger, Dir. Lang, mit der gleichen Hingabe dessen Werk fort. Mitten in all diesen Verhandlungen und Bemühungen um den Aufbau und die Konsolidierung unseres Hauses verstarb am 29.1.1955 unser mit so viel Verantwortungsfreudigkeit, Improvisations- und Verhandlungstalent ausgestatteter Dr. Resenberg an einer akuten Gehirnblutung. Weil der Leiter der Lehrwerkstätten, Herr Last, von dem Verstorbenen mit vielen Zweigen der Aufbautätigkeit bekannt gemacht war, wurde diese in keiner Weise unterbrochen, als die Landesversicherungsanstalt ihn als Nachfolger berief und Dipl.-Ing. Knoblauch mit der freigewordenen Leitung der Lehrwerkstätten betraute. Auf dem medizinischen Sektor war die Zäsur durch die Übernahme des Hauses in deutsche Hände nicht so groß wie bei der Verwaltung. Nach der bereits erwähnten Reduzierung des Ärztekollegiums wurden für die einzelnen Fachgebiete Konsiliarärzte verpflichtet. Die übernommenen beiden Psychotherapeuten setzten die psychagogische Vortragsfolge für Ärzte und Pflegepersonal fort. Ebenso behandelten sie in Einzel- und Gruppenbesprechungen die Patienten weiter. Ihnen wurde ein Facharzt für Psychiatrie und Neurologie beigegeben. Die Pathologie wurde Prof. Singer und später seinem Nachfolger Prof. Langer übertragen. Als Ophthalmologen konnten wir den emeritierten Prof. Dr. Passow der Universitätsaugenklinik München gewinnen sowie als HNO-Arzt Dr. Berg vom Krankenhaus Nymphenburg. Dieser übernahm die Einweisung unserer Ärzte in die Bronchoskopie und -graphie, die immer mehr an Bedeutung gewannen.


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